Vita

  • arbeitet als Posaunist, Komponist+Arrangeur .
  • leitet verschiedene Ensembles und Musikprojekte von Solo bis Big Band, die sich zwischen modernem Jazz, freier Improvisation und Neuer Musik bis hin zu experimenteller Rock, Funk und Popmusik bewegen
  • gegenwärtig realisiert er diese Musik als Komponist und Leiter in den Musikgruppen Christof Thewes Quartet, in derExperimental-Popgruppe Phase 4 mit der Sängerin Sabine Noß,  in der Big Band Little Big Band, in den Neue Musik Ensembles Modern Chamber Trio (Ensemble ),  in dem Soloprojekt Trombonealone, mit Rudi Mahall in der Gruppe “ Quartett Pazzo“, mit Jörg Fischer+Olaf Rupp in der Improvisationsgruppe “Nimbus“ in der Progrock-Jazzformation The Matter of Taste, mit Jan Oestreich  in dem Standardprojekt Christof Thewes ‚ JazzHistory , der NuJazzformation  “Gutter Music“,  mit Martin Schmidt in der crossover Formation Undertone Project , zusammen mit der Sängerin Anette von Eichel VoicesNoisesLungs’nTongues , der Free Jazzband  Yahoos und dem Großensemble  Yahoos and Aliens
  • arbeitet im Bereich Literatur, Theater und Musik mit dem Schriftsteller, Filmemacher und Sprecher Alfred Gulden in der Formation Gulden–Thewes zusammen.
  • zusammen mit dem Bassisten Jan Roder die Free Jazzformation Ein Roder-Thewes und Griener–Roder–Thewes
  • als Ensemblemitglied in den Gruppen Anna Kaluza Quartet, Monkolog 16</li>Bubi Reloaded , der Jazzcoregruppe “ Hydropuls“ , der Hip-Hop Fusion band “NuBreeze Project “
  • spielt  im Globe Unity Orchester mit Alexander von Schlippenbach , in der legendären Free-Jazz Kapelle “ Ruf der Heimat “ mit Thomas Borgmann+Willi Kellers , Günther Baby Sommer’s Zentralquartett mit Wolf+Pamela Biermann
  • Improvisationskonzerte Konzerte mit Alexander von Schlippenbach, Paul Lovens,Rudi Mahall Evan Parker, Roger Turner, Willie Kellers, Uli Boetcher, Eddie Prevost, Tomas Ulrich, Matthias Schubert, Axel Dörner, Olaf Rupp uva.
  • spielte auf vielen Festivals in ganz Europa, Mittelamerika, USA, Kanada wie Jazzfestival Willisau, Unerhört Festival Zürich, Jazz D’Or Straßbourg, Just Music Festival Wiesbaden, Jazzfestival Zagreb, Konfrontationen Nickelsdorf, Jazzfestival Nancy, Jazzfest Warschau, Jazzherbst Darmstadt, Jazzwerkstattfestival Berlin, Jazzfestival Mexico City, Jazzfestival Peitz, Jazzfestival Toronto,Jazzfestival Warschau uva.
  • Auftragskompositionen für die Stadt Saarbrücken, den Saarländischen Rundfunk, den Rundfunk Berlin-Brandenburg und das Theatre National Du Luxembourg
  • Preise: 2007 – Jazzpreis der Stadt Worms, 2005 – Medienpreis der Stadt Saarbrücken für Zyklus 1-6 mit Alfred Gulden, 1992 – Kulturförderpreis des Kreises Neunkirchen, 1987 – Kulturförderpreis der Stadt Saarbrücken, 1985 – Rockförderpreis des Saarlandes
  • arbeitete bis 2011 als Dozent für Posaune im Jazzstudiengang an der Musikhochschule des Saarlandes
  • veröffentlichte als Leader und Sideman bisher über 70 CDs.
Christof Thewes by Alexander Schaffer

Vita (english)

  • occupations as trombonist, composer, arranger and intrumental teacher
  • leader of various ensembles und musical projects (solo through big band), ranging from mordern jazz, free improvisation und „Neue Musik“ to experimental rock, funk and pop music
  • present realization of this music as composer and leader in the musical groups Squakk, Undertone Project (Duo up to Octet ) Christof Thewes ‘The Ascension Factor‘ (/Trio up to Tentet ) Quartetto Pazzo und Modern Chamber Trio, in the Free Jazz Band Yahoos, in the Big Band Little Big Band, in the Neue Musik Ensembles Modern Chamber Trio (Ensemble), in the Avantgarde-Popgruppe Phase 4, in dem Soloprojekt Trombonealone, in the Rock-Jazzformation The Matter of Taste, in the large ensemble Saarbrücker –Darmstädter Freundschaft, in the trombone ensemble Posaunenglanzterzet, in duos like Thewes-Mahall, Roder–Thewes, as member in groups like Squakk, Ensemble hks, Lacypool, Gutter Music, Anna Kaluza Quartet, Griener – Roder –Thewes, Birdfood and Bikini Big Band.
  • has been playing in Globe Unity Orchester and Uli Gumpert Workshop Band since 2008
  • literary and musical cooperations with author, film maker und voice talent Alfred Gulden Gulden with the group Gulden–Thewes
  • Free improvisation concerts with Alexander von Schlippenbach, Paul Lovens, Evan Parker, Roger Turner, Willie Kellers, Uli Boetcher, Eddie Prevost, Tomas Ulrich, Matthias Schubert, Axel Dörner, Olaf Rupp uva.
  • appearences on the following festivals in Europe, South america USA, Kanada : Jazzfestival Willisau, Unerhört Festival Zürich, Jazz D’Or Straßbourg, Just Music Festival Wiesbaden, Jazzfestival Zagreb, Konfrontationen Nickelsdorf, Jazzfestival Nancy, Jazzfest Warschau, Jazzherbst Darmstadt, Jazzwerkstattfestival Berlin, Jazzfestival Mexico City , Jazzfestival Peitz, Jazzfestival Toronto uva.
  • contract compositions for city of Saarbrücken, Saarländischer Rundfunk, Rundfunk Berlin-Brandenburg and Theatre National Du Luxembourg.
  • Awards: 2007 – City of Worms Jazzpreis, 2005 – City of Saarbrücken Medienpreis for Zyklus 1-6 with Alfred Gulden, 1992 – District of Neunkirchen Kulturförderpreis, 1987 – City of Saarbrücken Kulturförderpreis, 1985 – Saarland Rockförderpreis.
  • was trombone lecturer in academic programme of jazz at Saarland University of Music till 2011.
  • more than 30 published records as leader and sideman
  • cooperations with these musiscians:
    • Guitar: Olaf Rupp, Chris Klein, Thomas Honecker, Ralph Beerkircher, Simon Werner, Frank Wingold, Sven Prokaska, Frank Jacob
    • Piano: Uwe Oberg, Olli Maas, Georg Ruby, Alexander von Schlippenbach, Uli Gumpert, Manuel Krass, Christoph Mudrich, Bernd Thewes
    • Reeds: Hartmut Oßwald, Rudi Mahall, Wolli Kaiser, Ernst Ludwig Petrowsky, Gerd Dudek, Evan Parker, Daniel d’Agaro, Charlsey Haller, Udo Lovisa, Henrik Walsdorff, Michael Thieke, Ben Wolff, Ekkehard Jost
    • Trumpet: Daniel Schmitz, Daisy Becker, Ralf Himmler, Lars Kuklinski, Axel Dörner, Jean Luc Capozzo, Manfred Schoof, Martin Klingeberg, Rainer Winterschladen
    • Trombone: Jürgen Seyler, Detlef Landeck, Albert Mangelsdorff, Nils Wogram, Johannes Bauer, Matthias Müller, Alisa Klein, Jan Kamp
    • Bass: Martin Schmidt, Jan Östreich, Jan Roder, Jürgen Wuchner, Dieter Manderscheidt, Stefan Scheib, Ulla Oster, Robert Landfermann, Laurent Peckels, Mario Bartone
    • Drums: Daniel Prätzlich, Dirk Peter Kölsch, Jörg Fischer, Michael Griener, Paul Lovens, Paul Lytton, Olli Strauch, Joe Bonica, Jochen Krämer
Christof Thewes by Alexander Schaffer

MICHAEL BOSSONG über CHRISTOF THEWES im JAZZPODIUM März 2021

Draufhalten, schwitzen, jubilieren: Christof Thewes in Gondwana-Land

Der Weg zu Christof Thewes führt vorbei an Gondwana – dem mythischen Urkontinent aus der Zeit, als Europa, Asien und Afrika noch eins waren. Gondwana ist heute ein Freizeitpark auf dem großen Schlackenhügel, den die Grube Reden im Herzen des Saarlandes hinterlassen hat – mitten in einer postindustriellen Kulturlandschaft zwischen Völklingen und Neunkirchen. Hoch über uns wuchern Autobahnen auf hohen Stelzen aus Beton durch den Raum: Riesenhafte Dinosaurier aus einem prähistorischen Stahlzeitalter. Die mit schütteren Wäldchen bewachsenen Buckel, über die sich unsere Straße windet, sind begrünte Abraumhalden. Wir durchqueren gesichtslose Ortschaften, die haltlos ineinanderfließen, begrenzt nur von Supermärkten und Gewerbegebieten. In Schiffweiler biegt man links ab und erklimmt einen Hügel, über den sich eine schmale Straße zieht. Eine Grubensiedlung mit einer endlosen Anreihung von Arbeiterhäuschen, manche liebevoll renoviert. In einem davon wohnt der Jazzmusiker, Posaunist, Komponist und Saarländer Christof Thewes mit seiner Familie.

„Diese Gegend ist ein saarländisches Liverpool“ sagt Thewes, eine Landschaft nach dem Ende der industriellen Revolution, vom verschwundenen Bergbau für immer versehrt und geformt: ein seltsam idyllisches Nirgendwo, in dem längst niemand mehr vom Strukturwandel und neuer Arbeit träumt.

Vielleicht nicht der schlechteste Ort für den 1964 im benachbarten Quierschied geborenen Musiker, der seit vielen Jahren seinen eigenen Weg mit der afroamerikanischen Improvisationsmusik geht. Eine Homebase, die von den Umwälzungen der letzten hundert Jahre erzählt und im kulturellen Niemandsland viel kreativen Freiraum bietet. Nicht zufällig heißt das Studio von Martin „Schmiddi“ Schmidt, in dem Thewes seine Aufnahmen produziert, „Spielraum“. Es liegt nur einen Steinwurf von Thewes‘ Häuschen entfernt im Ortsteil Heiligenwald und hat sich mit den Jahren zu einem veritablen kleinen Kulturzentrum entwickelt. Das Plattenlabel Gligg Records hatte (bis zu seiner Insolvenz) hier seinen Sitz und ein paar der profiliertesten Kollegen der freien Jazzszene, von Ulrich Gumpert über Alexander von Schlippenbach bis zu Rudi Mahall, gehen ein und aus. Konzerte, Vorträge, experimentelle Musik werden geboten und dokumentiert, alles getragen von ein paar Enthusiasten und wenigen Sponsoren. Meist verirren sich nur eine Handvoll Zuhörer in dieses Versteck im saarländischen Nirgendwo. Wenn ein Abend 30 oder 40 Besucher hat, halten die Veranstalter den Atem an. Dafür hat Thewes hier bereits 150 Stunden Material professionell aufgenommen und einiges davon über die Jahre veröffentlicht. Kürzlich erschien eine weitere Triple-CD mit den alphabetisch geordneten gesammelten Werken des Posaunisten, die er unter dem Motto „Swing to Punk“ Buchstabe für Buchstabe als sein persönliches Realbook („The Surreal Book“) mit seinem Quartett eingespielt hat. Seine Privatenzyklopädie ist jetzt beim Buchstaben E angekommen.

Das Konzept des Global Village, wie es Peter Kowald entwickelt hat, passt vielleicht besonders gut in diese saarländische Provinz. Urbaner Glanz und Kultur-Schickeria sind unendlich weit weg, aber man kennt sich, das Netzwerk ist engmaschig und Musiker von weither schätzen die guten Arbeitsbedingungen, verbinden gerne bei einem Offdate ein intimes Konzert mit einer Aufnahmesession.

Abseits aller Jazz-Zentren scheint das Saargebiet ein besonders fruchtbarer Boden für Jazz und zeitgenössische Musik zu sein. Der Trompeter Michael Gross, der Schlagwerker und Komponist Dirk Rothbrust, der früh verstorbene Drummer Jochen Krämer – sie gehören alle der Generation Thewes an und wurden im benachbarten Illingen geboren.

Einen bildungsbürgerlichen Hintergrund, der sie zum Künstlertum prädestiniert hätte, sucht man jedenfalls bei der Familie Thewes vergebens. Der Vater war Maurer – aber am Wochenende machte er Tanzmusik – und so standen auch die Brüder Bernd und Christof von klein an mit auf der Bühne, probierten Instrumente aus, erlebten, wie Menschen zur Musik tanzen. Aus dem älteren Bruder Bernd wurde ein Komponist zeitgenössischer Werke, der heute in Mainz lebt. Christof fand mit 12 Jahren zur Posaune, weil im Musikverein die Stelle des zweiten Posaunisten besetzt werden musste, ohne zu ahnen, dass hiermit der Grundstein für sein künftiges Leben als professioneller Musiker gelegt war. Er nahm Unterricht, entdeckte die Grundzüge der Improvisation und das freie Spiel eines Albert Mangelsdorff. Die Freunde hörten die Rockmusik von Frank Zappa und Jimi Hendrix, bei der älteren Schwester lernte er die ersten Jazzplatten kennen. Mit 15 Jahren gründet er schon die erste Band, und das Trio „The Matter of Taste“ mit Herbert Weidemann am Chapman-Stick und Manuel Schwierczek am Schlagzeug spielt nach 35 Jahren noch immer seinen wilden Jazzrock-Mix. Daran hat auch die Karriere des Leaders, der mittlerweile auf Festivals in aller Welt spielt, nichts geändert.

Die ungebremste Musik mit der Energie von Punk und freiem Jazz war von Beginn an für Thewes ein alternativer Lebensentwurf jenseits des gesellschaftlichen Mainstreams und fernab kapitalistischer Produktionszwänge. Mit sechzehn lebte er in einer Musikerkommune. „Musikmachen war für uns kein Beruf, sondern eine ganz organische Angelegenheit.“ Geld war nicht so wichtig, man brauchte ja nicht viel. Das Anti-Programm zum gesellschaftlichen Mainstream der 80er Jahre hieß einfach: „Spaß haben statt Karriere machen!“ Lebensfreundschaften entstanden und Musikprojekte, an denen der Posaunist über Jahrzehnte festgehalten hat: Hartmut Oßwald am Saxofon, Mandolinist Martin Schmidt, der Bassist Jan Oestreich und Gitarrist Thomas Honecker, die Schlagzeuger Dirk-Peter Kölsch und Daniel Prätzlich gehören dazu. Langlebige Bands wie das Undertone Project, Yahoos oder Gutter Music wurden gegründet.

Auch wenn er selbst später als Dozent an der Musikhochschule Saarbrücken arbeitet und für sein Modern Chamber Ensemble im Gestus der zweiten Wiener Schule komponierte Kammermusik schreibt – die Spielhaltung von Thewes ist noch immer strikt anti-akademisch: „Draufhalten und die Leute zum Tanzen bringen!“ lautet sein Credo. Musik ist Arbeit, erfordert Disziplin und Überoutine – und auch manchen Kompromiss, wenn man sein Brot damit verdienen will. Das Entscheidende aber – und was er manchmal bei den jüngeren Kollegen vermisst – ist für ihn die Ekstase, das Schwitzen auf der Bühne: die Unbedingtheit, die Vorbilder wie Coltrane oder Hendrix vorgelebt haben. Die frei improvisierte Musik sei letztlich immer eine elitäre Veranstaltung für wenige, aber sie soll das Publikum mitreißen. Die Leute sollen „Hurra!“ schreien wollen. Musik entsteht während der Performance, in der Kommunikation mit dem Publikum, dem Raum, der konkreten Situation.

Auf seinem Weg ist er Kollegen wie Pianist Christoph Mudrich und Komponist Frank Reinshagen begegnet, die ihm Impulse gaben und ihre Erfahrungen mit dem jungen Musiker teilten. Eine zentrale Figur war für ihn der Darmstädter Bassist Jürgen Wuchner, der den Kontakt zur Berliner Szene, zu Rudi Mahall, Uli Gumpert, Axel Dörner vermittelte. Projekte wie SQUAKK (mit Mahall, Jan Roder und Michael Griener), das Quartetto Pazzo, seine Mitarbeit bei „Die Enttäuschung“ sind daraus hervorgegangen. Im „Ruf der Heimat“ hat er die Stelle des 2016 verstorbenen Johannes Bauer übernommen. Und schließlich der Ritterschlag: die Berufung in Alexander von Schlippenbachs Globe Unity Orchester, dieses Monument der europäischen Jazzgeschichte, in dem seit 50 Jahren und über mehrere Generationen hinweg die Creme der improvisierenden Künstler Europas miteinander am großorchestralen freien Jazz arbeitet.

Nach drei Jahrzehnten Musikerdasein ist Thewes noch immer voller Elan. Profitiert vom Zusammenspiel mit jüngeren Musikern, die mit der gleichen unbedingten Energie auf der Bühne stehen – wie Drummer Martial Frenzel, Bassist Ben Lehmann oder die Saxofonistin Anna Kaluza. Seine aktuellen Projekte reichen von Artrock-Songs mit Phase IV mit Sängerin Sabine Noß bis zu Literaturprogrammen mit dem kosmopolitischen Anti-Heimatschriftsteller Alfred Gulden. Die Mischung aus Bodenständigkeit und Weltläufigkeit macht denn auch die Überzeugungskraft von Thewes‘ Musik aus. Sein Spiel auf der Posaune ist stets direkt und zupackend. Aber auch seine auskomponierten anspruchsvollen Kammermusikprojekte entbehren nicht einer Portion augenzwinkernder Chuzpe. Oft scheint er mit dem proletarischen Charme der saarländischen Provinz zu kokettieren, aber Thewes bleibt sich einfach nur treu. Seine Musik ist noch immer ein gut gelaunter Akt des Widerstands gegen die Allmacht der kapitalistischen Marktlogik. Der letzte der Dinosaurier ist vielleicht die Avantgarde von Übermorgen – und sei es im Gondwana-Park auf dem Schlackenhügel in einer saarländischen Grubensiedlung.